Wallfahrten nach Trier - wie alles begann

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Versuch einer Chronologie
  • Barocke Skulptur des hl. Matthias in St. Mattheis in TrierWir wissen heute nicht, wo und wann
     der heilige Matthias gestorben ist:

  • Nach verschiedenen Legenden soll er in Judäa wegen seiner Heilungen, Bekehrungen und gelehrten Predigten vom Hohen Rat zum Tode verurteilt, gesteinigt und nach römischem Brauch mit dem Beil enthauptet worden sein.
     
  • Anderen Überlieferungen zufolge soll er in Griechenland oder im Kaukasus oder in Äthiopien den Glauben verkündet haben und im Jahr 63 wahrscheinlich in Äthiopien zuerst halbtot gesteinigt, dann mit dem Beil erschlagen worden sein.
     
  • Einer weiteren Überlieferung (den sog. Acta Andreae) zufolge soll ihn nach vorübergehender Blendung und wunderbarer Wiedererlangung des Augenlichts der Apostel Andreas aus den Händen von Menschenfressern gerettet haben, so dass er eines friedlichen Todes starb.
  • Wir wissen auch nicht genau, wann die ersten Verkünder des Christentums nach Trier gekommen sind.

    Wir wissen aber, dass sie sich inmitten eines römischen Gräberfeldes im Süden der Stadt unmittelbar an der Römerstraße in Richtung Metz und Marseille niederließen, also dort, wo heute die Abtei von St. Matthias steht.

    Gruft mit Sarkophag der AlbanaDer Überlieferung nach gewährte die vornehme Senatorenwitwe Albana diesen ersten Glaubensboten im Moselland großzügige Gastfreundschaft, indem sie ihnen ihr Haus als Wohnstatt und Kirche zur Verfügung stellte. Daraus entstand die erste, dem hl. Johannes geweihte Kirche. Von hier aus verkündeten sie den neuen Glauben unter den noch stark dem Heidentum anhängenden Mitmenschen.
     

  • Alten Quellen zufolge war der erste Bischof von Trier der
    heiligeSMB NeuwerkEuchariusSein Wirken fällt circa in die Mitte
    des 3. Jahrhunderts
    .

Hl. Maternus, Darstellung im sog. Egbertpsalter zu Cividale (Italien), 10. JahrhundertDer heiligeSMB NeuwerkGregor von Tours  (538/539-594) bezeichnete 300 Jahre später den hl. Eucharius als "Beschützer der Stadt Trier vor einer Pestepidemie" und weiß zu berichten, dass Eucharius selbst noch ein Schüler von Petrus gewesen sei, der ihn gemeinsam mit dem heiligenSMB NeuwerkMaternus  als Glaubensboten nach Gallien geschickt habe, was zeitlich jedoch recht fragwürdig sein dürfte.

Fest steht aber, dassSMB NeuwerkMaternus  als erster geschichtlich bezeugter Bischof von Köln (Civitas Agrippinensium) in den Jahren 313 und 314 als Konzilsteilnehmer in Rom und Arles erwähnt wird. Er soll ebenfalls Bischof von Trier und Gründungsbischof von Tongeren gewesen sein. Er verstarb um 328 vermutlich in Trier und soll dort auch seine letzte Ruhestätte haben.

  • Römische Münze mit dem Bildnis der Kaiserin HelenaZeitgleich mit dem heiligen Maternus lebte auch die heiligeSMB NeuwerkHelena   (248/250~329), die wir als römische Kaisergattin und Mutter von Konstantin dem Großen kennen.

    Im Gegensatz zu ihrem Mann Constantius Chlorus (er war römischer Kaiser im Rahmen der Tetrarchie) ließ Helena sich taufen. Sie veranlasste Grabungen in Jerusalem, die unter anderem durch die Auffindung der Reste des wahren Kreuzes und des Ortes des Heiligen Grabes gekrönt wurden.

    Über dem Grab und der Kreuzauffindungsstelle ließen Helena und ihr Sohn Konstantin eine Basilika errichten, die wir alsSMB NeuwerkGrabeskirche  kennen. Auch dieSMB NeuwerkGeburtskirche  in Betlehem und die später zerstörte Eleona-Basilika auf dem Ölberg gehen auf Helena zurück. Die heilige Helena ist auch die Gründerin vieler anderer Kirchenbauten in und um Jerusalem, sowie in anderen Orten.
     

  • Statue von Andrea Bolgi: Helena mit dem Kreuz Christi in der Peterskirche in RomGenau dieserSMB Neuwerkheiligen Helena  schreibt nun die Überlieferung zu, dass sie auch in den Besitz der Gebeine des hl. Matthias gekommen sein soll, dessen Tod zu diesem Zeitpunkt bereits etwa zweieinhalb Jahrhunderte zurück lag.

    Danach gehen die Überlieferungen etwas auseinander.

    Ein Teil der Quellen behauptet, dass Helena die Gebeine nach Rom holte und in der KircheSMB NeuwerkSanta Maria Maggiore  beisetzen ließ.

    Von dort soll dann ein Teil der Matthias-Reliquien vom Trierer Bischof Agritius als Geschenk der Kaiserin Helena nach deren Lieblingsstadt Trier in die Kirche des hl. Eucharius gebracht worden sein.

    Merkwürdig an dieser Fassung ist allerdings der Umstand, dass Papst Liberius den Auftrag zur Grundsteinlegung dieser Kirche erst etwa 20 Jahre nach Helenas Tod von den Gottesmutter Maria persönlich bekommen haben soll (wohl am 5.8.352).

    Andere Quellen besagen deshalb auch nur, dass Helena den [kompletten] "Leichnam" des Heiligen direkt nach Trier bringen ließ.

    An dieser Fassung ist merkwürdig, dass sich in der Abtei Santa Giustina in Padua noch immer eine große Matthias-Reliquie befindet (der "Leichnam" in Trier kann also eigentlich nicht komplett angekommen sein) und dass im Jahre 1221 zu allem Überfluss auch noch das "Haupt des Matthias" in Kobern an der Mosel auftaucht, und zwar als Mitbringsel eines heimgekehrten Kreuzfahrers aus dem Orient (siehe unten).

    Soweit die Überlieferung(en) zur Überführung der Gebeine des Matthias, die sich auf frühmittelalterliche Quellen stützen, die erst im 9. Jahrhundert, also etwa 600 Jahre danach, entstanden.

  • Fest steht aber, dass in Trier über dem Grab desSMB NeuwerkEucharius, des ersten Bischofs von Trier, kurz nach dessen Tod eine Kapelle entstand, in der auch sein Nachfolger Valerius beigesetzt wurde.

    Sarkophage des Eucharius und des Valerius in der Krypta der Abteikirche von St. MattheisAnmerkung: Heute hält man den tonnengewölbten Raum mit seiner Apsis direkt unter der achteckigen Quirinus-Kapelle auf dem Friedhof nördlich der Abteikirche für die ursprüngliche Gruft des hl. Eucharius. Die Sarkophage beider Bischöfe (Eucharius und Valerius) stehen heute in der Krypta der Abteikirche.

  • Die Kapelle zur Verehrung dieses Heiligen muss wegen der großen Zahl der herbeiströmenden Pilger schon bald zu klein geworden sein; denn etwa um das Jahr 450 ließ der Trierer Bischof Cyrillus neben der Cella Eucharii ein größeres Gotteshaus erbauen und dorthin die Gebeine seiner Vorgänger Eucharius und Valerius überführen.
     

  • Cyrillus sorgte ebenfalls dafür, dass sich seit dieser Zeit (5. Jahrhundert) um die Kirche herum auch Mönche ansiedelten, die 977 - anderen Quellen zufolge bereits im 8. Jahrhundert - die Benediktinerregeln annahmen.
     

  • Die von Cyrillus erbaute Kirche fiel wahrscheinlich im Jahre 882 dem Normannenansturm zum Opfer. Ende des 10. Jahrhunderts wurde unter Erzbischof Egbert (977-993) mit dem Neubau eines Gotteshauses begonnen ("Egbert-Kirche"), das erst durch Abt Bertulf (1024 bis 1050) fertiggesellt wurde.
     

  • Bis zu dieser Zeit (Mitte 11. Jahrhundert) spielte in der Abtei St. Eucharius die alte Überlieferung von den irgendwo versteckten Reliquien des Heiligen Matthias offensichtlich keine große Rolle. Eine besondere Matthias-Verehrung ist bis dahin jedenfalls nicht nachweisbar.
     

  • Dann berichten die Quellen, dass Kaiser Heinrich III. von der Reliquien-Legende erfahren haben soll und will nun wissen, was daran ist. Bei Nachforschungen in St. Eucharius sei man dann 1058 auf das Grab gestoßen (sog. Erste Inventio), habe dem Kaiser einige Reliquien überlassen, das Grab jedoch wieder verschlossen und - wenn sich alles wirklich so abgespielt hat - offensichtlich auch wieder vergessen.
     

  • Knapp 100 Jahre nach der Erbauung der "Egbert-Kirche", die ebenfalls dem hl. Eucharius geweiht war, beschloss man, die Kirche wieder abzureißen und durch eine neue, die heutige Kirche, zu ersetzen.
     

  • Matthiasdarstellung in einer Handschrift aus dem 12. JahrhundertIm Jahre 1127 geschieht es dann: Ganz überraschend fand man beim Abriss der alten Kirche einen bleiernen Sarg mit
    einer Marmortafel und der Inschrift
    "Der heilige Apostel Matthias".

    Das war die Sensation schlechthin! Die Apostelgräber in Rom, sowie das Apostelgrab in Santiago de Compostela, das sich bereits ein paar Jahrzehnte lang eines zunehmenden Pilgerstroms erfreute, lagen alle weit weg.

    Und nun befand sich plötzlich ein Apostelgrab sozusagen "vor der Haustür" in der Trierer Abtei St. Eucharius!
    Das einzige Apostelgrab nördlich der Alpen!


    Die Nachricht verbreitete sich in Windeseile, und es setzte eine rege Wallfahrtsbewegung nach Trier ein.

    Schon bald verdrängte der Apostelname Matthias auch den Namen des bis dahin einzigen Kirchenpatrons Eucharius, und die Abtei St. Eucharius benannte sich um in St. Matthias.
     

  • Mittelschiff der Basilika von St. MatthiasAm 11. Januar 1148 weihte anlässlich seines Aufenthaltes in der Abtei St. Matthias Papst Eugen III. in Gegenwart des Erzbischofs Albero und des heiligen Bernhard, begleitet von Kardinälen, Fürsten und Äbten einen in der Mitte der Kirche stehenden Altar zu Ehren des hl. Kreuzes und der hl. Apostel Matthias und Jakobus. Das Langhaus der Kirche war zu diesem Zeitpunkt noch immer im Bau; es wurde erst 1160 vollendet.

    Die Abteikirche St. Matthias wurde zur Wallfahrtskirche.
     

  • An vielen Orten, besonders am Niederrhein, entstanden nun Bruderschaften, die sich die besondere Verehrung des hl. Matthias zum Ziele setzten und es seitdem als ihre Hauptaufgabe ansehen, einmal im Jahr zum Apostelgrab zu pilgern, an den Gottesdiensten teilzunehmen, eine Wachskerze aufzustellen und Opfergaben darzubringen.

Füße der Skulptur des hl. Matthias in der Abteikirche von St. MattheisAlle St. Matthias Bruderschaften sind in derSMB NeuwerkErzbruderschaft St. Matthias  zusammengeschlossen, deren Leiter der jeweilige Abt von St. Matthias ist.

Die Tradition der jährlichen Matthias-Wallfahrten nach Trier hat sich bis heute erhalten und ist noch immer sehr lebendig.

  • In Sachen Matthias-Reliquien sei hier noch über ein Intermezzo berichtet, dass in Kobern, einer alten, kleinen Ortschaft am Unterlauf der Mosel, begann:

  • Dort brachte im Jahre 1221 Heinrich II. von Isenburg-Kobern bei seiner Rückkehr von einem Kreuzzug den Schädel des Apostels Matthias mit.
     

  • Matthiaskapelle in Kobern an der MoselFür diese Reliquie baute er oberhalb von Kobern eine wunderschöne Kapelle, die heute noch bestens erhalten ist und besichtigt werden kann. Diese Matthiaskapelle zählt zu den rätselhaftesten und zugleich reizvollsten Werken spätstaufischer Baukunst im Mosel-Rhein-Gebiet.
     

  • Man kann sich leicht vorstellen, dass diese wertvolle Reliquie natürlich auch Pilger anzog, und so wurde die Matthiaskapelle in Kobern ebenfalls zu einer Matthias-Wallfahrtsstätte.
     

  • Inneres der Matthiaskapelle in Kobern an der MoselDie Geschichte dieser Reliquie, von ihrer Entdeckung und Raub in Unterägypten, ihrer Überführung nach Kobern und dortigen Verehrung, stand natürlich im Konflikt mit der zeitgleichen Verehrung des kompletten Apostelgrabes in Trier, das ein Jahrhundert zuvor dort aufgetaucht war.
     

  • Möglicherweise stellte der Bau der Matthiaskapelle in Kobern daher eine Protestaktion der Herren von Kobern gegen den Trierer Erzbischof dar.
     

  • Umgekehrt wäre es aber auch denkbar, dass der Erzbischof selbst den Bau der Kapelle und die Reliquienverehrung befürwortete, um die Aposteltradition in seinem Bistum zu festigen.
     

  • 1354 ging das Haupt des Apostels dann in den Besitz des Erzbistums Trier über und gelangte Anfang des 15. Jahrhunderts in den Domschatz.
     

  • Nach einer anderen Quelle war die Reliquie zwischen 1362 und 1381 im Besitz des Erzbischofs Kuno von Falkenstein und wurde zunächst auf der Festung Ehrenbreitstein aufbewahrt.
     

  • Danach gelangte sie 1422 nach Trier, wo sie bis 1927 im Dom von Trier aufbewahrt wurde.
     

  • Dann wurde sie von Nuntius Pacelli, dem späteren Papst Pius XII, feierlich in die Abtei St. Matthias in Trier überbracht.
     

  • Mit dem Verlust dieser Reliquie ließ auch die religiöse Bedeutung der Matthiaskapelle in Kobern nach.

  • Blick auf die Abtei St. Matthias in TreirWie bereits oben berichtet, setzte ab 1127 eine rege Wallfahrtsbewegung zur Abtei St. Mattias in Trier ein, die bis heute lebendig geblieben ist und auf eine lange Tradition zurückblicken kann.
     

  • Pilgerpfarrer Hubert Wachendorf OSB bemerkt dazu in seinenSMB NeuwerkGedanken zur Wallfahrt
  • Die in den langen Jahrhunderten gewachsene Wallfahrt ist auch heute noch sehr lebendig. Jährlich kommen in über 140 Gruppen Pilger aller Generationen nach St. Matthias, wobei die meisten mindestens drei bis vier Tage bis Trier unterwegs sind. Viele gehen den Weg auch zu Fuß nach Hause zurück. Da kommen leicht bis zu 300 Km und mehr zusammen.
     
  • Ein Teil dieser Gruppen kann auf eine Jahrhunderte alte Tradition zurückblicken, ungefähr ein Drittel davon ist in den letzten Jahren neu entstanden. Die Pilger kommen zum überwiegenden Teil aus den Bistümern Köln, Aachen und Trier. Die meisten kommen aus der Umgebung von Mönchengladbach, Neuss und Krefeld.
     
  • Andere stammen aus dem Raum Aachen, Jülich, Köln, Bonn und der Eifel. Pfarreien aus der näheren Umgebung von Trier kennen eine Tradition von Tages- oder Nachtwallfahrten. Jede Wallfahrt hat ihr eigenes Gesicht und ihre eigene Tradition. Das gilt nicht nur für die Bruderschaften, die seit Jahrhunderten den Weg nach Trier gehen.
     
  • Der größte Teil der Gruppen erreicht St. Matthias in den beiden Wochen vor oder nach Pfingsten. Diese Hauptwallfahrtszeit, die sich um das Fest der Wahl des Apostels (Samstag nach Christi Himmelfahrt) gruppiert, findet im Herbst eine kleine Fortsetzung.

     

Schlussbemerkung:

  • Die historische Forschung bezweifelt, bzw. bestreitet aus nachvollziehbaren Gründen das Vorhandensein von Matthiasreliquien in Trier.

    Dies ändert jedoch nichts an der Tatsache, dass die Abtei St. Matthias in Trier zum Zentrum der Verehrung des Apostels Matthias geworden ist.
     

  • Für echte Matthiaspilger stellt sich die Frage nach dem Vorhandensein oder der Echtheit von Matthias-Reliquien in Trier schon längst nicht mehr; denn:

    Für das Erleben einer Wallfahrt ist sie völlig ohne Bedeutung!



Der vorliegende "Versuch einer Chronologie" zum Thema "Wallfahrten nach
Trier - wie alles begann" entstand unter Zuhilfenahme unter anderem folgender Veröffentlichungen und Internetseiten:

und andere mehr

 

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